8 / 09 2016

Rheinland-Pfalz baut psychosoziale Prozessbegleitung für Opfer schwerer Straftaten aus

Opfer schwe­rer Straf­ta­ten sol­len in Rheinland-Pfalz zukünf­tig auf qua­li­fi­zier­te psy­cho­so­zia­le Pro­zess­be­glei­ter zurück­grei­fen kön­nen. Dies sieht der Ent­wurf eines Lan­des­ge­set­zes zur Aus­füh­rung der bun­des­ge­setz­li­chen Vor­ga­ben zur psy­cho­so­zia­len Pro­zess­be­glei­tung vor. Die psy­cho­so­zia­le Pro­zess­be­glei­tung ist eine inten­si­ve Form der Zeu­gen­be­glei­tung für beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Ver­letz­te von Straf­ta­ten. Sie soll für Opfer von Straf­ta­ten die Belas­tung des durch­zu­füh­ren­den Straf­ver­fah­rens reduzieren.

Der nun vor­ge­leg­te Gesetz­ent­wurf eines Lan­des­ge­set­zes regelt die Aner­ken­nung der psy­cho­so­zia­len Pro­zess­be­glei­tung und das Aner­ken­nungs­ver­fah­ren. Damit sol­le sicher­ge­stellt wer­den, dass den Opfern schwe­rer Straf­ta­ten die Bei­ord­nung qua­li­fi­zier­ter psy­cho­so­zia­ler Pro­zess­be­glei­ter ermög­licht wird. Für die Zulas­sung der qua­li­fi­zier­ten Fach­kräf­te als psy­cho­so­zia­le Pro­zess­be­glei­ter hat das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um Rheinland-Pfalz gemein­sam mit der Hoch­schu­le Koblenz einen Wei­ter­bil­dungs­lehr­gang ent­wi­ckelt, der eine Qua­li­fi­zie­rung in der psy­cho­so­zia­len Pro­zess­be­glei­tung ermög­licht. Vor­aus­set­zung für die Teil­nah­me sei ein qua­li­fi­zie­ren­der Hoch­schul­ab­schluss in den Berei­chen Sozia­le Arbeit, Päd­ago­gik, Psy­cho­lo­gie oder Sozio­lo­gie sowie zwei Jah­re ein­schlä­gi­ge Berufserfahrung.

Es ist zu begrü­ßen, dass hier die Rech­te der Opfer wei­ter gestärkt wer­den und die­se ggf. auch psy­cho­so­zia­le Betreu­ung erfah­ren. Bis­her ver­su­chen der Wei­ße Ring e.V. und die Opfer­an­wäl­te die­se Auf­ga­be zu stem­men. Gera­de für  Opfer­an­wäl­te stellt der psy­cho­lo­gi­sche Aspekt der Man­dats­be­treu­ung von Opfern schwers­ter Ver­bre­chen eine enor­me Her­aus­for­de­rung dar, der neben der eigent­li­chen straf­recht­li­chen Betreu­ung zu leis­ten ist. Zu beden­ken ist auch, dass die Rechts­an­wäl­te sind was sie sind - näm­lich in ers­ter Linie Rechts­an­wäl­te. Weder im Stu­di­um noch im Refe­ren­da­ri­at wird Psy­cho­lo­gie, Päd­ago­gik oder Sozio­lo­gie ver­mit­telt, daher gibt es in den sel­tens­ten Fäl­len Rechts­an­wäl­te, die die Vor­aus­set­zun­gen für die Fort­bil­dung zum Pro­zess­be­glei­ter mitbringen.

Da der Rechts­an­walt als Opfer­an­walt aus Sicht des Opfers auch immer die Funk­ti­on des Pro­zess­be­glei­ters inne­hat und von ihm bewusst oder unbe­wusst die Erbrin­gung der Leis­tun­gen eines Pro­zess­be­glei­ters erwar­tet wird, ist es gut und in jedem Fall zu begrü­ßen, dass dem Opfer eine qua­li­fi­zier­te Bera­tungs­per­son zur Sei­te gestellt wird. Der Opfer­an­walt wird hier­durch zumin­dest z.T. aus sei­ner Dop­pel­rol­le her­aus­ge­nom­men und kann sich so bes­ser auf sei­ne Kern­auf­ga­be konzentrieren.

Frag­lich bleibt natür­lich, ob die Absol­vie­rung eines Lehr­gan­ges zwin­gend not­wen­dig ist, um die Zulas­sung zum Pro­zess­be­glei­ter zu erhal­ten. Ich den­ke hier an die lang­jäh­ri­gen Mit­ar­bei­ter z.B. des Wei­ßen Ring e.V., die neben den Vor­aus­set­zun­gen auf­grund ihrer bereits lang­jäh­ri­gen Tätig­keit die Erfah­rung in die­sen Berei­chen mit­brin­gen, die im Zusam­men­spiel rei­chen müss­ten, um die Ableis­tung einer wei­te­ren Wei­ter­bil­dung unnö­tig zu machen.

Ich hof­fe nun, dass das Bun­des­land Schleswig-Holstein hier auch mit­zie­hen wird.

Ihr Rechts­an­walt Chris­toph Seif­fert aus Flensburg


31 / 08 2016

EU-Kommission: Irland gewährte Apple unzulässige Steuervergünstigungen in Milliardenhöhe

Irland hat Apple unrecht­mä­ßi­ge Steu­er­ver­güns­ti­gun­gen von bis zu 13 Mil­li­ar­den Euro gewährt, die nach den EU-Beihilfevorschriften unzu­läs­sig sei­en. Zu die­sem Ergeb­nis kam die EU-Kommission.

Irland wird die rechts­wid­ri­ge Bei­hil­fe zurück­zu­for­dern haben, denn das Land habe zwei an Apple gerich­te­te Steu­er­vor­be­schei­de in künst­li­cher Wei­se eine erheb­li­che Ver­rin­ge­rung der von Apple ab dem Jahr 1991 in Irland gezahl­ten Steu­ern bewirkt. Hier­durch sei eine Metho­de zur Berech­nung der steu­er­pflich­ti­gen Gewin­ne gebil­ligt wor­den, die nicht der wirt­schaft­li­chen Rea­li­tät ent­sprä­che. Nahe­zu die gesam­ten, von den betrof­fe­nen Apple-Unternehmen im Ver­kaufs­be­reich erwirt­schaf­te­ten Gewin­ne, sei­en intern einem “Ver­wal­tungs­sitz" zuge­wie­sen wor­den, der nur auf dem Papier bestand und der­ar­ti­ge Gewin­ne nicht hät­te erwirt­schaf­ten kön­nen, so die Kommission.

Hier­durch erhielt Apple einen wesent­li­chen Vor­teil gegen­über ande­ren Unter­neh­men, denn die den “Ver­wal­tungs­sit­zen“ zuge­wie­se­nen Gewin­ne sei­en im Ein­klang mit mitt­ler­wei­le nicht mehr gel­ten­den Bestim­mun­gen des iri­schen Steu­er­rechts in kei­nem Land besteu­ert wor­den. Auf­grund der mit den Steu­er­vor­be­schei­den von Irland gebil­lig­ten Zuwei­sungs­me­tho­de habe Apple auf die Gewin­ne von Apple Sales Inter­na­tio­nal einen effek­ti­ven Kör­per­schafts­steu­er­satz, der von 1% im Jahr 2003 auf 0,005% im Jahr 2014 zurück­ge­gan­gen sei. Dadurch blie­ben die Gewin­ne, die Apple durch den Ver­kauf sei­ner Pro­duk­te auf dem gesam­ten EU-Binnenmarkt fast steuerfrei.

Und - oh Wun­der - wen wun­dert es? Natür­lich will Apple will sich dage­gen weh­ren und kon­tert damit, dass das Ver­fah­ren "grob unfair" sei und kün­digt die Ein­le­gung der Beru­fung an.

Der­ar­ti­ge Ver­fah­ren sind bekannt dafür, dass sie sich über Jah­re hin­zie­hen. Es bleibt also das Ergeb­nis abzu­war­ten und zu hof­fen, dass es nie­man­dem gelingt, die Sache unter den Tisch zu kehren.

Die Regie­rung Irlands wider­sprach dem Vor­wurf der Kom­mis­si­on und nimmt Apple in Schutz. Angeb­lich sei­en Apple kei­ne Steu­er­vor­tei­le gewährt wor­den. Apple habe sämt­li­che fäl­li­gen Steu­ern bezahlt und auch kei­ne uner­laub­ten staat­li­chen Bei­hil­fen gewährt bekom­men. Auch Irland will gegen den Bescheid der EU-Kommission ange­hen, da das Land die Mei­nung ver­tritt, dass Steu­ern Sache der ein­zel­nen EU-Staaten sei­en und von einer Kom­mis­si­on nicht hät­ten geprüft wer­den dürfen.

Auf jeden Fall sieht man an die­sem Bei­spiel wie­der, wel­che Macht und Mög­lich­kei­ten den Welt­kon­zer­nen zur Ver­fü­gung ste­hen, dass offen­kun­dig auch Regie­run­gen der Mit­glieds­län­der der­art "unter der Fuch­tel" der Fir­men ste­hen, dass die sich im Ergeb­nis sogar noch gegen höhe­re Steu­er­ein­nah­men weh­ren wol­len. Oder will Irland nur ver­hin­dern, dass die Steu­er­be­trä­ge in ande­re Län­der flie­ßen und Irland nicht mehr von dem unglaub­lich hohen Pro­zent­satz an Zin­sen pro­fi­tie­ren kann? Es kann dar­über nur spe­ku­liert wer­den, was hin­ter den Kulis­sen tat­säch­lich abläuft.

Es wäre jedoch zu wün­schen, dass auch die Glo­bal Play­er ihre Steu­ern wie jeder klei­ne Unter­neh­mer voll­stän­dig zah­len. Solan­ge die­ser Fall nicht ein­tritt, las­sen sich die gro­ßen Fir­men z.B. den Erhalt der Stra­ßen vom klei­nen Steu­er­zah­ler finan­zie­ren ohne selbst dazu bei­tra­gen zu müs­sen. Denn sei­en wir ehr­lich - auch die teu­ren Apple-Produkte müs­sen über die steu­er­fi­nan­zier­ten Stra­ßen zu den End­kun­den trans­por­tiert wer­den -  und das nur ein Bei­spiel die­ser klaf­fen­den Unge­rech­tig­keit von vie­len ande­ren denkbaren...

Ihr Rechts­an­walt Chris­toph Seif­fert aus Flensburg