Der BGH hat in seinem Urteil vom 12.10.2016 - VIII ZR 103/15 entschieden, dass ein Käufer innerhalb der ersten sechs Monate ab Gefahrübergang weder darlegen noch nachweisen muss, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Dieses Urteil steht auch im Zusammenhang mit einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Juni 2015 zu dieser Frage.
Im Kern ging es um die Frage, ob bei einem gebrauchten Pkw ein zum Rücktritt berechtigender Mangel vorlag oder nicht. Der Kläger blieb in den Vorinstanzen erfolglos. In der letzten Instanz bekam der Kläger in dem Sinne auch nicht Recht, jedoch machte der BGH weitergehende Ausführungen zur Beweislastumkehrregelung.
Gem. § 476 BGB gibt es eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dahingehend, dass ein Sachmangel, der innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang auftritt, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Sie gelte dagegen nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege.
Nach dem BGH muss die Auslegung der Regelung zur Beweislastumkehr nach § 476 BGB dem Urteil des EuGH entsprechend erweitert werden. Demnach ist es ausreichend, wenn sich eine Mangelerscheinung innerhalb von sechs Monaten zeigt. Damit ein Käufer von der Vermutungswirkung des § 476 BGB profitieren kann, muss dieser darlegen und ggf. beweisen, dass die gekaufte Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. Der Käufer muss weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist.
In richtlinienkonformer Auslegung des § 476 BGB wird dessen Vermutung noch um eine sachliche Komponente erweitert, nämlich dass der Käufer nicht mehr den Nachweis bringen muss, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in dem latenten Mangel hat.
Somit wird die Beweislast fast vollständig auf den Verkäufer verlagert, dieser hat nur noch die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, dass die Vermutung, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels nicht vereinbar ist. In diesem Zusammenhang ist der Käufer auch gehalten, vorzutragen, wie er konkret mit der erworbenen Sache umgegangen ist.
Für den Verkäufer bedeutet dies auch, dass er im Zweifel ein höheres Prozessrisiko trägt. Wenn die Vermutungsregelung des § 476 BGB eingreift, dann obliegt dem Verkäufer die Beweislast. Sollte sich im Gerichtsverfahren herausstellen, dass der Beweis nicht geführt werden kann, so geht dies zu Lasten der beweisbelasteten Partei - hier des Verkäufers - mit der Folge, dass er das Verfahren verlieren wird...
Ob das Urteil nun ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Verbesserung des Verbraucherschutzes ist oder ob die Rechtsprechung hier beginnt, das Kräfteverhältnis zulasten der Händler zu verschieben, wird sich noch zeigen müssen. Bereits jetzt ist klar, dass man dieses Urteil in eide Richtungen interpretieren kann - je nachdem, ob man als Käufer oder als Verkäufer darüber diskutiert.
Sollten Sie Probleme in diesem Kontext haben, kann dieses Urteil allein nicht zur Klärung dienen, da der gesamte Sachverhalt erfasst und geprüft werden muss, um herauszufinden, ob Ihr Fall in diese Kategorie fällt oder ob er anders zu beurteilen ist. Hierbei bin ich Ihnen gern behilflich.